In unserer Reihe "Personen aus der Szene" stellen wir Euch regelmäßig Persönlichkeiten vor, die in Eurer Übersicht nicht fehlen sollten.
Heute geht es um: Kaspar Szymanski.
Hallo lieber Kaspar und vielen Dank, dass Du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Du hast im Google Webspam Team gearbeitet und berichtest auf diversen Konferenzen über Deine (SEO) Erfahrungen, aus diesem Grund habe auch ich Dich seit Anbeginn in der Timeline. Kannst Du dich vielleicht den Lesern kurz vorstellen, die Dich noch nicht kennen?
Hallo Michael, ich freue mich über die Gelegenheit auf meine Tätigkeit bei Google und in der SEO einzugehen. Bevor ich mit meinem ehemaligen Kollegen, Fili Wiese, unseren Brand “SearchBrothers.com” aufgebaut habe, war ich über sieben Jahre bei Google im Bereich Search Quality tätig. Das ist jenes Team, was häufig mit manuellen Strafen gegen Websites, die Google Richtlinien missachten, in Verbindung gebracht wird. Das Team tut allerdings weitaus mehr: Es ist auch für die Bearbeitung der Anträge auf Wiederaufnahme zuständig, betreibt eine aktive interne wie externe Richtlinienpolitik und ist die Speerspitze, wenn es um den Dialog mit Webmastern geht. Das sind alles Bereiche, in denen ich bei Google führend tätig war, was uns in unserer jetzigen Tätigkeit zu Gute kommt.
Als SearchBrothers.com bieten wir unter anderem Backlink Risikoanalysen, assistieren beim Entfernen von von Google auferlegten Strafen und organisieren interne Schulungen. Wir sind aber auch beide nach wie vor sehr präsent und treten auf internationalen SEO Konferenzen auf, wie etwa dem SEOkoberfest in München, einem der besten Branchenevents überhaupt.
Wenn Du also für andere Firmen Risikoeinschätzungen abgibst, hast Du ja schon einen Vorteil, da Du ja bewertest, was von Dir mitentwickelt wurde. Wie sieht Google diese Tätigkeit? Wird vielleicht gar der Kontakt zu Dir gesucht, um die Sicht der Webmaster nun besser zu verstehen? Du stehst jetzt ja sozusagen auf der anderen Seite.
Ich bin davon überzeugt, dass das Google Outreach Team die Webmaster Sicht versteht, zumal einige Teammitglieder selbst passionierte Webmaster bzw. Entwickler sind. John, Gary und Zineb nehmen auch häufig genug an SEO Konferenzen teil, um Webmaster Feedback zu bekommen. Die SEO- und Suchbranche ist allerdings sehr überschaubar, man trifft sich immer wieder und man tauscht sich gegenseitig aus.
Wie bist Du an den Job bei Google gekommen und wieso hast Du dich entschieden zu gehen? Bist Du mit dem Wissen jetzt nicht ein gefragter Mann? Hätten viele größere Kunden dich nicht gerne im Inhouse - Team? Oder gibt es da so etwas wie ein Arbeitsverbot seitens Google?
Ich bin recht unspektakulär an den Job gelangt, es war eine Direktbewerbung auf eine passende Stellenausschreibung im Jahr 2005. Damals ging aus der Jobbeschreibung nicht viel hervor, außer dass die Tätigkeit mit vertraulichen Daten zu tun haben würde. Und dass es wohl Spaß machen könnte. Das tat es dann auch. Ich habe mich sehr bald auf Webmaster Kommunikation fokussiert und baute den Dialog in EMEA (Europe, Middle East and Africa) nach und nach auf. Im Laufe meiner Tätigkeit für das Google Search Quality Team habe ich die Gelegenheit gehabt mit zahlreichen, interessanten Menschen zu arbeiten. Fili Wiese war eine der herausragenden Persönlichkeiten unter vielen talentierten Leuten. Wir waren von Anfang an sehr produktiv in unserer Zusammenarbeit. Fili verließ Google nach einigen Jahren ebenfalls als erfahrenes Mitglied der Product Quality Operation Gruppe. Wir knüpften an unserer gute Zusammenarbeit Jahr 2013 wieder an, als ich beschloss, den Komfort einer Stelle in einem etablierten Unternehmen gegen eigenverantwortliches Arbeiten einzutauschen. Ein logischer Schritt, wie ich damals fand und welchen ich, trotz aller Vorteile, die Google als ein ausgezeichneter Arbeitgeber bietet, nicht bereut habe. Die erste Beratungsanfrage kam auch tatsächlich noch an dem Tag, als ich meine Entscheidung öffentlich gemacht habe. Das war ermutigend und die Nachfrage ebbt seitdem nicht ab. Es gibt unglaublich viele Bereiche und Branchen, wo SEO stiefmütterlich behandelt bzw. komplett ignoriert wurde. Der Nachholbedarf ist riesig. Eine In-House Tätigkeit ist für mich bisher nie ein Thema gewesen, es war von Anfang an klar, dass ich wieder mit Fili arbeiten und eine neue Marke aufbauen wollte. Von Arbeitsverboten weiß ich nichts und ich bezweifle, dass es die jemals gegeben hat, dafür ist die Branche zu klein und es gibt zu viele Jobwechsel, um Verbote dieser Art durchsetzen zu können.
Was arbeitest Du aktuell und wie informierst Du dich weiterhin zu Themen wie SEO, Marketing und Google?
Eine unserer Devisen vom ersten Tag an war absolute Verschwiegenheit. Das hat seinen Ursprung in der Zusammenarbeit mit Webmastern, als wir noch bei Google waren. Viele Webmaster waren sehr darauf bedacht, dass ihre SEO Probleme nicht publik werden. Wir haben das als eine Garantie übernommen, d. h. wir kommentieren unsere Tätigkeit für Kunden nicht. Im Übrigen bitten wir auch niemals um Referenzen. Stattdessen verlassen wir uns auf unsere Reputation und das, was unsere Branchenkollegen über uns sagen.
Unser Portfolio umfasst sämtliche Bereiche von Suchmaschinen Optimierung und Beratung. Wir haben regelmässig mit Panda, Penguin und manuellen Google Strafen zu tun, wir stehen unseren Kunden aber auch bei Übernahmen und Website-Zukäufen beratend zur Seite.
Um auf Deine zweite Frage einzugehen, es gibt einige bewährte SEO Blogs, die wir verfolgen. Die beste Informationsquelle sind nach wie vor Branchenevents und das persönliche Gespräch mit führenden Persönlichkeiten aus der Szene. Es gibt gute Gründe, warum Top-Leute sich die Zeit nehmen und auf Marketing- und Affiliate-Konferenzen Präsenz zeigen. Nicht zuletzt verfolgen wir auch die Online-Beiträge und Kommentare von meinungsführenden Google Mitarbeitern und Experten wie John Müller, Brian White, Zineb Ait Bahajji, Bastian Grimm, Bas van den Beld und Marcus Tandler.
Dann machst Du ja wirklich klassisches SEO. Kennst Du die mehr als 200 Punkte des Algorithmus durch deine Tätigkeit?
Das stimmt, wir bieten auch klassische SEO Beratung an. Die Google Search Quality Erfahrung ist dabei von großem Vorteil. Einiges ist und bleibt allerdings auch nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen vertraulich. :)
Du warst ja im Webspam Team. Das Google alles über Offpage Metriken geheim hält ist klar, wieso werden aber z. B. die Webmaster-Richtlinien schwammig formuliert? Wäre es nicht auch für Google viel einfacher mit klaren Richtlinien zu arbeiten? Das dies nicht so ist, zeigen die vielen Fragen in den diversen Foren ja deutlich.
Persönlich finde ich Google’s Webmaster Richtlinien in ihrer gegenwärtigen Form nicht zweideutig. Es heißt: “Tue nichts, was Du nicht guten Gewissens auch einem Geschäftskonkurrenten erläutern könntest”. Und dann wird aufgezählt, was alles nicht koscher ist: Linkauf, Cloaking und und und. So klar formuliert waren die Richtlinien nicht immer. Sie wurden und werden nach wie vor kontinuierlich verfeinert. Das ist auch notwendig, denn das Internet unterliegt bekanntlich permanenten Veränderungen und die SEO Branche ist da keine Ausnahme. Wie solche Aktualisierungen aussehen können, konnten wir beobachten als zunächst Widget Links und später über Public Relations erworbene Links eindeutig als Verstöße einbezogen wurden. Ich sehe das Problem nicht in der Art der Formulierung der Richtlinien, sondern in den zahlreichen, teils minimalen Aktualisierungen des Dokuments, die teilweise in der Öffentlichkeit wenig Beachtung finden. Ich stimme allerdings zu, dass trotz aller Anstrengung der vergangenen Jahre, Google - und das nicht nur im Bereich Suche - einen deutlich besseren Job beim Dialog mit den Produktnutzern machen könnte. Da gibt es noch sehr viel zu tun!
Viele Leser, Kunden und auch SEOs bemängeln ja immer wieder die Informationspolitik. Sie hat sich zwar deutlich verbessert, ist aber immernoch ausbaufähig.
Nehmen wir aktuell das mehrfach angekündigte Panda Update. Wieso wird der Kunde hier so alleine gelassen? Andere Firmen könnten sich diese Art der Kommunikation nicht erlauben. Ohne die Webmaster Hangouts und gelegentlichen Antworten gewisser Szenegrößen, würde man gar nichts erfahren.
Wie bereits erwähnt, finde ich, dass es seitens des Google Outreach Teams Handlungsbedarf gibt, vor allem was die Kommunikation über nicht englischsprachige Kanäle angeht. Allerdings ist es grundlegend falsch, Webmaster als Kunden zu betrachten. Google feilt immer weiter an der Suche für Google Nutzer, nicht für Webmaster. Die Suche ist kein Bezahlprodukt und es gibt keinen Anspruch auf Kundensupport. Google könnte genauso gut gänzlich auf die Webmaster Kommunikation verzichten. Zum Glück sucht aber das Google Team den Dialog, der jedoch gewisse Grenzen haben muss. Wenn zu viele Informationen preisgegeben werden, öffnet dies Konkurrenten oder Black Hat SEOs Tür und Tor. Es ist immer ein Balanceakt zwischen Transparenz und Hilfestellung für die große Masse legitimer Websites und der Gefahr, die Qualität der Suche aufs Spiel zu setzten.
Sogenannten Szenegrößen sollte man im Übrigen tatsächlich online folgen, und ihre Beiträge allerdings stets mit Skepsis betrachten. Nicht jeder, der behauptet das neueste Update zuerst erkannt zu haben, weiß wirklich wovon, er oder sie spricht. Und die meisten verfolgen ihre eigenen Ziele.
Was findest Du persönlich spannend am Thema SEO und wie stehst Du zum Aufruf von Google, dass sie jetzt einen SEO suchen? Passt das in deinen Augen zusammen? http://seo-portal.de/2015/07/16/google-sucht-einen-seo/
Persönlich finde ich die Herausforderung große Mengen an Daten zu erheben, um relevante Signale zu isolieren, sie gezielt zu verbessern und dadurch spannenden Geschäftsmodellen zu mehr Erfolg online zu verhelfen, großartig. Wahrscheinlich ist es auch die Zusammenarbeit mit interessanten Menschen und persönliche Affinität zu den Produkten, die motivierend wirken. Ganz ähnlich wie andere konsequent nutzerorientierte Firmen hat Google die Suchmaschinen Optimierung eigener Produkte lange vernachlässigt. Erste Initiativen, diesen Umstand ein wenig zu verbessern, gehen auf das Jahr 2010 zurück (siehe: http://googlewebmastercentral.blogspot.com/2010/03/googles-seo-report-card.html). Persönlich bin ich immer dafür, gute Produkte weiter zu verbessern. Im Übrigen gibt es bei Google schon einige sehr gute Leute die, bevor sie zum Product Quality Team dazu gestoßen sind, in einem früheren Leben bereits erfolgreiche Suchmaschinenoptimierer waren.
Kannst Du vielleicht abschließend Webmastern einen Tipp geben, was Sie beachten sollten, wenn Sie sich einen SEO, sei es Inhouse oder eine Agentur, suchen?
Es gibt einen Tipp, der, egal, ob es sich um In-house SEO oder die Zusammenarbeit mit Agenturen handelt, sehr, sehr wichtig ist, allerdings oft vernachlässigt wird, bis es zu spät ist: Alles dokumentieren! Auch und insbesondere alle Linkbuilding Aktivitäten, um auf alle Eventualitäten gut vorbereitet zu sein. Genauso wichtig ist es, Server-Logs konsequent zu speichern. Nicht nur wegen des immensen Auswertungpotenzials bei jeglicher Analyse, wie zum Beispiel beim Audit. Aber auch als Trumpf bei Übernahmen, der den Verkaufspreis deutlich nach oben korrigieren kann.
Vielen Dank, lieber Kaspar, für diesen doch sehr ausführlichen Ausblick in dein altes und neues (SEO) Leben.
Kategorie(n): Personen aus der Szene
Datum: 27. Juli 2015