Sind „Fraggles“ die Zukunft?

von Jochen Moschko

Kategorie(n): News Datum: 6. Juni 2019
Seit einigen Monaten geistert der Begriff „Fraggle“ durch die SEO-Branche. Es handelt sich um ein Kunstwort, das sich aus „Fragment“ und „Handle“ zusammensetzt. Dahinter steht eine Theorie, der zufolge Suchmaschinen zukünftig immer häufiger kleinere Fragmente von Webseiten entnehmen und diese dann direkt in den Suchergebnissen anzeigen werden. Ein Suchender erhält dadurch die Antwort auf seine Frage direkt auf der Suchergebnisseite, ohne dass er die Suchmaschine verlassen und die Seite besuchen muss, die als Quelle dient. Erfunden wurden der Begriff sowie die Theorie von der SEO-Expertin Cindy Krum. Nicht wenige in der Branche jubeln gerade „Hurra, das ist die Zukunft!“. Aber haben diese Leute den Gedanken auch zu Ende gedacht? Es ist schon seit längerem so, dass bestimmte Informationen direkt innerhalb einer Suchmaschine angezeigt werden. Wenn ich beispielsweise nach „Wetter Bonn“ suche, wird mir bei den großen Suchmaschinen innerhalb der Suchergebnisseite das aktuelle Wetter sowie eine Prognose für die nächsten Tage in der Stadt Bonn gezeigt. Diese Daten stammen in der Regel von Datenlieferanten, mit denen die Suchmaschinenbetreiber einen Vertrag abgeschlossen haben. Soweit so gut. Was aber geschieht, wenn immer mehr Informationen dieser Art einfach von gewöhnlichen Webseiten entnommen werden? Die Erstellung einer Website und guter Inhalte ist zwangsläufig mit Aufwand verbunden. Diesen Aufwand trägt in der Regel der Betreiber. Wer sein Angebot über Werbeanzeigen finanziert, hegt ein Interesse daran, dass möglichst viele Nutzer seine Seiten besuchen, um möglichst hohe Einnahmen zu generieren. Wenn die wichtigsten Kerninformationen jetzt direkt auf der Suchergebnisseite zu finden sind, dient der Betreiber zwar als Contentlieferant, erhält aber keine Bezahlung mehr dafür. In diesem Fall profitiert in erster Linie der Suchmaschinenbetreiber davon. Mithilfe von Markups kann jeder Websitebetreiber selbst steuern, welche Informationen er auf seinen Seiten kennzeichnen möchte, damit sich Suchmaschinen hier bedienen können. Wer komplett darauf verzichtet, würde in diesem „Fraggle“-Szenario mit seinen Rankings jedoch wahrscheinlich ins Hintertreffen geraten. Wenn ein Konkurrent auf seinen Seiten mehr Informationen mit Markups versieht, steht dieser Konkurrent möglicherweise besser da – selbst wenn dieser unter dem Strich weniger Besucher erhält, weil für viele Suchende ihre Frage bereits innerhalb der Suchergebnisseite beantwortet wird. Diese Theorie ist interessant und es wäre theoretisch möglich, dass sie eintreten wird. Allerdings scheint der Gedanke im Hinblick auf seine möglichen Folgen nicht zu Ende gedacht worden zu sein:
  1. Zwischen Seitenbetreibern und Suchmaschinenanbietern dürfte sich ein tiefer Graben öffnen, was sich u. a. in Webmaster-Hangouts und auf Twitter zeigen wird.
  2. Wenn Seitenbetreiber die Verramschung ihrer Inhalte verweigern, zeigen Suchmaschinen ihren Nutzern möglicherweise schlechtere Suchtreffer an – von Seiten, deren Betreiber mitmachen. Dadurch sinken die Qualität der Suchergebnisse und die User-Experience.
  3. Einige Suchmaschinenbetreiber bieten eigene Werbeprogramme für Webmaster an, mit denen diese Werbung auf ihren eigenen Seiten schalten können. An dieser Stelle würde sich die Katze in den eigenen Schwanz beißen – die Katze ist in diesem Fall der Suchmaschinenbetreiber.
  4. Ähnlich wie bei „Google News“ wäre es möglich, dass die Politik ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringt. Wie effektiv es im Endeffekt sein wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Daneben könnte geprüft werden, ob möglicherweise unlauterer Wettbewerb vorliegt.
Stellt Euch selbst die folgende Frage, auch wenn sie überspitzt ist: Würdet Ihr einem Fremden jubelnd Euer Haus schenken und Euch anschließend lächelnd und zufrieden in den Vorgarten stellen? Wohl kaum. Eine Gegenleistung an den Quellengeber, auf welche Art auch immer, muss vorhanden sein, damit das Konzept aufgeht. Denn auf die Dauer dürften es sich nur wenige Websitebetreiber gefallen lassen, ihre Inhalte einfach zu verschenken, während sie gleichzeitig deutlich weniger Besucher dafür erhalten. Bei „Featured Snippets“ ist es relativ zufriedenstellend gelöst, weil nach einem kurzen Anriss des Inhalts direkt ein Link zur Zielseite erscheint. Zwar mag die grobe Richtung dieser „Fraggles“-Theorie stimmen. Im Bereich „Voice Search“, wo der Nutzer die Antwort auf seine Frage als Sprache erhält und nicht als Trefferliste, wird sie – sofern es so kommt – wohl am ehesten eintreten. Allerdings wäre es dann angebracht, wenn nach dem Vorlesen der Antwort durch die Suchmaschine der Nutzer gefragt wird, ob er die Quellenseite, von welcher die Antwort entnommen wurde, jetzt aufrufen möchte. Auch ist nicht anzunehmen, dass die Sprachsuche die klassische Suche per Tastatur vollständig ablösen wird. Jeder, der ein bestimmtes Thema ausführlich recherchieren möchte, wird hierfür kein Voice Search verwenden. Folgender Vergleich schafft Abhilfe: Obwohl es seit über hundert Jahren das Medium des Films gibt, sind Bücher bis heute nicht ausgestorben. Beim Thema „Fraggles“ ist hervorzuheben, dass es sich lediglich um eine Idee einer Expertin handelt und nicht um offizielle Pläne von Suchmaschinenbetreibern. Diese werden sicherlich gut abwägen, wie weit sie hierbei gehen werden. Wie denkt Ihr über diese Theorie – überwiegen für Euch die Vorteile oder sind die Nachteile gewichtiger? Schreibt uns Eure Meinung als Kommentar!